Der letzte Blickpunkt vom Dezember 2021 liegt mir auch jetzt noch etwas im Magen. Deshalb möchte ich hier meine Stellungnahme gründlicher erklären. Es ging in erster Linie um meine Einstellung zur SPD und zum Verhältnis der beiden Dörfer Bühne und Manrode. Aber es ist auch hilfreich, ein wenig mehr über die Vergangenheit zu erfahren.

Das Wahlverhalten im Bühne der fünfziger Jahre unterschied sich fundamental von dem in der heutigen Zeit.

Die CDU war bei uns sehr dominant. Lediglich Außenseiter oder einige Flüchtlinge wählten bisweilen eine andere Partei. Ich bin 1948 geboren und Konrad Adenauer war unser großer Held. Am Radiogerät verfolgte ich die Wahlen. Wenn das Ergebnis in einer bestimmten Stadt wieder einmal zu seinen Gunsten ausfiel, dann sprang ich vor Begeisterung in die Luft.

winter22Blick über Bühne im Winter 2021/22Wer die SPD wählte, der war in der öffentlichen Wahrnehmung so neben der Spur, dass er entweder einen geistigen Defekt oder einen verdorbenen Charakter haben musste.

Das Image der SPD-Politiker war unterirdisch. Über Ollenhauer spotteten wir als Kinder: “Der kann keine Politik machen, sondern nur seine Olle verhauen.“ Willy Brandt wurde entweder als uneheliches Kind oder als Vaterlandsverräter gebrandmarkt. Beides war in der Meinung der Leute eine Katastrophe in diesen Zeiten und Breiten.

Erhard Fischer, Helmut Simon und Hans-Günter Fels sorgten viele Jahre später dafür, dass den Menschen in Bühne der Schrecken vor dieser Partei genommen und sie als durchaus wählbare Alternative wahrgenommen wurde.

Ich selbst bin nach meinem ersten Israelbesuch in die SPD eingetreten, weil mir Willy Brandts Haltung gefiel. Sein Kniefall in Warschau zeigte mir, dass er die richtigen Konsequenzen aus den Untaten Nazideutschlands vollzogen hatte. Brandt entschuldigte sich damit für die deutschen Verbrechen, obwohl er als einer der ganz wenigen Deutschen mit seiner Emigration  ins norwegische Exil die richtigen Lehren aus der Nazidiktatur gezogen hatte.

Zudem stimmte die SPD als einzige Partei dem Ermächtigungsgesetz nicht zu. Dieses Gesetz aber war der Anfang vom Ende, denn damit verabschiedete sich die Demokratie und Hitlers Griff nach der Macht wurde auf diese Weise legalisiert.

So weit die Vorbemerkungen zum Grund meines Beitritts zur SPD. Nun aber zum Kern des Geschehens, denn mir wurde ja vorgeworfen, die SPD und das Verhältnis zwischen Bühne und Manrode beschädigt zu haben.

Kurz nach dem Erscheinen des Artikels rief mich unser Ortsvorsteher an: „Leo, wir müssen den Anfang des Beitrages sofort löschen. Vor allen Dingen sind „die roten Socken“ als erstes zu entfernen. Auch der Zusatz (ein noch dazu aus Manrode stammender) Sozialdemokrat wird kritisiert.“

Es gelang mir tatsächlich, in aller Eile den Unglückstext zu löschen. So meldete ich mich voller Freude bei Willi. Seine Antwort aber ernüchterte mich: „Das Löschen genügt der Protestbewegung nicht. Sie wollen von dir eine Klarstellung, dass kein Angriff auf die SPD und auf Manrode erfolgte. Es darf nur sachlich berichtet werden.

Alle Äußerungen in Bezug auf „rote Socken“ müssen zurückgenommen  werden.“

Ärger mit den Manrodern wollte ich unbedingt vermeiden. Schließlich hatten wir auch in der Schule gute Erfahrungen mit unserem Nachbardorf gemacht. Mein Kollegium und ich waren stets überglücklich, wenn Kinder aus Manrode in der Bühner Schule angemeldet wurden. Auch aus diesem Grunde konnte eine noch viel frühere Schließung der Schule verhindert werden.

In größter Panik machte ich mich ans Werk. Ich durchforstete den Artikel, fand aber in der Aufregung die roten Socken nicht. Dann las ich den Artikel noch zwei- dreimal durch, die verfluchten roten Socken waren und blieben verschwunden. Endlich kam mir der erlösende Gedanke: In Wahrheit hatte ich doch überhaupt nichts über rote Socken geschrieben, sondern nur über den roten Alptraum.

hallemanr22Die Manroder BerglandhalleNun begann ein weiteres Problem. Wie sollte ich derart unter Zeitdruck eine sinnvolle Entschuldigung schreiben? Zunächst einmal erklärte ich mich für das Desaster verantwortlich. Dann las ich mir den ganzen Text schnell noch einmal durch:

„Viele Bühner werden aufatmen. Nach jahrzehntelangem roten Alptraum sind die Verhältnisse in ihren Augen wieder dort, wo sie hingehören. Seit den Zeiten Konrad Adenauers (keine Experimente) hatte die CDU hier im Dorf die Mehrheit. Da musste ein (und noch dazu aus Manrode stammender) Sozialdemokrat kommen, um die alt hergebrachte Ordnung auf den Kopf zu stellen. Jetzt aber ist die endgültige Wende gelungen.“

Die Deutung der Wortwahl meines Textes zeigt, dass für übereilt kritisierende Menschen eine genaue Kenntnis der Geschehnisse tatsächlich schon ein etwas gründlicheres Wissen voraussetzt. Warum?

Früher gab es in Bühne wirklich eine Menge von Leuten, die nur die CDU wählten. Aus den ersten zwei Sätzen geht hervor, dass viele Bühner aufatmen werden. Für diese Menschen sind die Verhältnisse tatsächlich wieder dort, wo sie hingehören. Weil aber ihre Freude so groß ist und ihr Leiden so lang war, habe ich diese Empfindung mit der Abgrenzung zum „jahrzehntelangen roten Alptraum“ satirisch überspitzt.

Wenn man aber diesen Text etwas gründlicher gelesen hätte, dann wäre uns allen die Aufregung erspart geblieben. Ich habe nämlich nicht geschrieben, dass die Regierungszeit der SPD in Bühne ein jahrzehntelanger roter Alptraum war, sondern dass in den Augen vieler Bühner (gemeint sind die CDU-Wähler) die Verhältnisse für sie (gemeint sind die CDU-Wähler) wieder dort sind, wo sie hingehören.

Niemals aber habe ich „mit dem jahrzehntelangen roten Alptraum“ eine Entwertung der Arbeit der beiden Ortsvorsteher Helmut Simon und Hans-Günter Fels gemeint. Sie stehen für mich ganz oben in der Reihe der verdienstvollen Ortsoberhäupter und haben durch ihren langjährigen erfolgreichen Einsatz einen Ehrenplatz in der Geschichte Bühnes mehr als verdient.

Es gab aber auch noch den Schulstreit, der die Manroder und Bühner fast entzweite. Für diesen ganz geringen Teil der Bühner, der noch immer unversöhnlich ist, macht der Satz (und dazu ein noch aus Manrode stammender) Sozialdemokrat durchaus einen provokativen Sinn.

Wenn heute in der Gegenwart Vereinsvertreter aus Manrode und Bühne auf Augenhöhe miteinander arbeiten und sich freuen, dass sich ihre Leute aus beiden Dörfern so prächtig verstehen, dann kann mein Satz tatsächlich auch bei denen etwas falsch aufgefasst werden. Dieses durch meinen Beitrag ausgelöste Missverständnis tut mir sehr leid und ich möchte mich dafür auch jetzt noch einmal entschuldigen. Bei künftigen Formulierungen werde ich darauf verstärkt achten und mich dahingehend disziplinieren.

Ganz anders aber sieht das bei Leuten aus, die sich schon sehr lange kennen. Auf allen Ebenen hatten sich seit Jahren die Verhältnisse der Bewohner beider Dörfer normalisiert. Es wurde dann und wann auch schon einmal mit den Wohnorten gegenseitig geflachst. Das war aber nie abwertend gemeint. Helmut Simon hätte diese Bemerkung von mir ganz bestimmt richtig eingeordnet, da bin ich mir ganz sicher.

Er konnte mit solchen Sprüchen immer gut umgehen. Hat sie ja auch selbst gerne mit einem Schalk im Nacken benutzt.

So war ich der Meinung, dass das Verhältnis zwischen Bühne und Manrode inzwischen so stabil sei, dass für beide Seiten der wohlmeinende leise Spott als Zeichen der Erinnerung an unselige Zeiten erkannt werden müsste. Mein Fehler war, dass ich das bei einigen Leuten nicht richtig eingeschätzt habe.

teichmanr22Der neu gestaltete Dorfmittelpunkt in Manrode (Foto: Leader Region Kreis Höxter)Noch etwas mehr zum Thema der Beziehungen der Dörfer untereinander. Mir wurde ja vorgeworfen, das Verhältnis zu den Manrodern belastet zu haben. Dazu möchte ich etwas detaillierter Stellung nehmen.

Die mich kritisierenden jungen Leute leben heute wie selbstverständlich ohne jedes Problem mit den Freunden und Bekannten aus den Nachbarorten zusammen. Alle sind gut vernetzt und kennen sich aus Schule, Freizeit, Sport und Beruf. Sie selbst haben nie die Rivalitäten zwischen den einzelnen Dörfern erlebt. Es macht für diese Generation absolut keinen Unterschied, ob jemand nun zufällig in Manrode, Muddenhagen, Körbecke oder Bühne wohnt.

In den fünfziger Jahren aber war das alles noch ganz anders. Das damals vorherrschende Kirchturmdenken vernebelte die Köpfe. Bestes Beispiel aus diesen Zeiten war der Vereinsfußball:

Wenn die Schwarz-Gelben mit Johannes Klare, Herbert Becker, Josef Druchleben und Co. im Potten spielten, dann wurde für mich als fußballbegeistertem kleinen Jungen aus einem ganz normalen Sonntag ein unvergesslicher Festtag.

Erschrocken war ich allerdings über die Aggressivität der Zuschauer. Vor allen Dingen bei den Spielen gegen Körbecke kam es zu Rangeleien, ja sogar zu richtigen Schlägereien. Einordnen und verstehen konnte ich das damals nie. Doch der Streit hatte wohl seinen Grund in der engstirnigen und kleinkarierten Abschottung der Dörfer. Alles, was sich im eigenen Dorf abspielte, wurde glorifiziert, während man in den Fremden, und seien es nur Fußballzuschauer aus Körbecke, grundsätzlich eine Bedrohung sah. Manrode hatte damals noch keine Mannschaft, aber ich bin davon überzeugt, dass die Verhältnisse identisch gewesen wären.

Die Menschen waren in ihrer Mobilität eingeschränkt, die Wunden des verlorenen Krieges nicht geheilt und die Zukunft erschien noch ungewiss. Erst mit dem Wirtschaftswunder und dem damit verbundenen Aufschwung verschwanden so nach und nach die engen dörflichen Barrieren. Aus diesem Grund verbesserten sich auch die Beziehungen der Dörfer untereinander.

In den sechziger Jahren spielte ich in einer erfolgreichen Bühner Jugendfußballmannschaft, in der mit Helmut Vössing aus Haarbrück und mit Walter Dürdodt aus Manrode auch zwei Nichtbühner zum Einsatz kamen. Das war der Beginn der sportlichen Globalisierung. Sie brachte viele Vorteile für alle mit sich. Wir fühlten uns als eine Mannschaft, in der die Herkunft absolut keine -, die Leistung aber die entscheidende Rolle spielte. Es war vollkommen unwichtig, ob der Helmut aus Haarbrück, Walter aus Manrode oder Leo aus Bühne das entscheidende Tor geschossen hatte. Wichtig war nur der Mannschaftssieg.

Etwas später schloss ich meinen persönlichen Frieden mit den Körbeckern. Vergessen waren die Kindheitserinnerungen mit den sich schlagenden Zuschauern. Johannes Flotho, Werner Brachmann und Karl-Josef Bremer spielten mit Günter Engel, Klaus Krull und mir in der Tischtennisbezirksklasse in einer gemischten Körbecker-Bühner Mannschaft. Es hat einfach nur Spaß gemacht. Schlägereien mit unseren Nachbarn - wie ein Jahrzehnt zuvor auf dem Bühner Sportplatz - waren in unserem Vorstellungsvermögen so fern wie eine Reise zum Mars.

Heute sind diese Erinnerungen nichts weiter als Geschichte. Die Entwicklung wurde auch in unserer Gegend nicht aufgehalten und der Erdball ist globalisiert. Momentan spielen in Bühne sehr erfolgreich Tischtennismannschaften mit Spielern, die zu einem Teil nicht aus Bühne kommen. Beim Fußball gibt es eine Spielgemeinschaft mit Körbecker und Bühner Fußballern. Jugendfußballspieler und die Alten Herren sichern sich ihr Überleben oft nur durch den Zusammenschluss gleich mehrerer Dörfer. Bei der Frage des Zusammenlebens hat sich fast alles zum Guten entwickelt.

Jetzt ein weiters Wort zu meinem Verhältnis zu den Manrodern. Die Schulsituation hatte ich erwähnt. Fast wäre ich nach dem Wechsel von der Jugend- zur Seniorenfußballmannschaft doch tatsächlich in Manrode gelandet. In Bühne waren zu der Zeit meine Mitspieler in der ersten Mannschaft bis auf Werner Jakubeit und Heinrich Krull viele Jahre älter als ich.

leofussbmanrVon Schwarz-Gelb zu Schwarz-Weiß - nur ein kurzes VergnügenNach dem Abschluss der Saison waren ihre Knochen verständlicherweise müde und sie genossen ihre fußballfreie Sommerpause. Ich aber war voll im Saft und wollte nur eines: Fußball spielen, je mehr, desto besser. Die Manroder, altersmäßig eher mir nahe, hatten im Gegensatz zu den Bühnern für jedes Wochenende ein Pokalturnier angenommen. Helmut Simon und Walter Dürdoth baten mich, in der Sommerpause bei den Pokalturnieren in der Manroder Mannschaft mitzuspielen.

Dazu ließ ich mich nur zu gerne überreden. Wie das passmäßig geregelt wurde, weiß ich heute nicht mehr. Gut möglich, dass in der Sommerpause gar nicht so auf die Spielerpässe geachtet wurde. Jedenfalls war ich gut in Form, schoss einige Tore und wir gewannen ein paar Pokalturniere. Die Siegesfeiern in Walters Kneipe waren grandios.

Es kam, wie es kommen musste: Sie redeten auf mich ein, unbedingt nach Manrode zu wechseln, da ich augenscheinlich in ihrer Mannschaft wesentlich besser aufgehoben wäre als in der Bühner Altherrenriege. Darauf entgegnete ich, dass ich mich bei ihnen fußballerisch und menschlich wohl fühlen würde, aber ich wäre nun einmal ein Bühner und wolle das auch bleiben. Damit war das Thema beendet

Ich hoffe sehr, dass mir mit dieser Darstellung ein erklärendes und versöhnendes Wort zur Beendigung der Krise gelungen ist. Hauptsächlich kam es mir darauf an, zu vermitteln, dass ich als Mitglied der SPD meine eigene Partei nicht in dieser Art und Weise öffentlich angreifen würde. Mein Verhältnis zu Manrode war und ist intakt. Überhebliches Gebahren fand ich immer abstoßend und ausgesprochen dumm. Niemals aber käme ich auf die Idee, Menschen aus Manrode nur deshalb herabzuwürdigen, weil sie aus diesem Dorf kommen. Allein eine solche Vorstellung ist für mich absurd.

Trotz allem möchte ich am Ende meiner Überlegungen den gesamten Vorfall einfach nur positiv bewerten und als Argument dafür anführen, dass sich junge Leute für ihre Überzeugungen einsetzen und bereit sind, dafür zu kämpfen.

Meine Bitte in solchen Fällen. Rennt nicht zum Ortsvorsteher, sondern beschwert euch bei mir! Bevor ihr das macht, aber noch 2 Tipps: Lest euch so einen Text genau durch! Versucht auch, mal etwas zwischen den Zeilen zu lesen! Ab jetzt werde ich meinen Namen unter von mir geschriebene Artikel setzen, damit es zu keinen weiteren Missverständnissen kommt.

Dass meine lange Erklärung hier vor den Augen der Öffentlichkeit stattfindet, liegt nicht an mir, sondern an euerer Forderung, mich unmittelbar nach dem Erscheinen des Artikels für meine Worte sofort auf der Bühner Seite für alle sichtbar zu entschuldigen. Das habe ich gemacht. Diese hier nachfolgenden Ergänzungen scheinen mir zum besseren Verständnis unerlässlich zu sein.

Mir gefiele es gut, wenn es der Beginn einer gemeinsamen Zusammenarbeit wäre. Ihr seid jung, steht mitten im beruflichen und gesellschaftlichen Leben und habt mit dieser Aktion bewiesen, dass ihr wachsam und empathisch seid. Da gibt es bestimmt Themen, die es wert wären, mich darüber zu informieren, damit sie hier im Blickpunkt erscheinen könnten.

Zum Schluss noch einige Anmerkungen zu meiner etwas antiquierten Schreibform. Natürlich wäre es richtig, bei dem Satz „Viele Bühner werden aufatmen“ zu sagen „Viele Bühner*innen werden aufatmen.“ Doch bei dem Folgesatz „Für diese Menschen - käme ich schon ins Schleudern, denn wenn ich jetzt „Für diese Mensch*innen“ schreiben würde, dann wäre das Chaos perfekt.

Also, für alle Genderfreund*innen: Ich bin kein Macho und kein Ignorant, aber diese Schreibweise karikiert nach meinem Verständnis die löbliche Absicht, die Gleichstellung auszudrücken. Außerdem verhindert sie ein flüssiges Lesen. In den öffentlichen Publikationsorganen einer bestimmten politischen Richtung hat kaum ein Journalist noch die Möglichkeit, darauf zu verzichten. Ich bin aber kein Journalist und außerdem treffen wir uns hier doch eher privat. Deshalb unterlasse ich mal das Gendern in meinen Texten, einverstanden?

Leonhard Meier