Viele Kinder beantworten die Frage nach ihrer Lieblingsbeschäftigung ganz einfach mit „Fußball“. So auch Alex Hengst zu seinen Grundschulzeiten. Trotzdem unterschied er sich schon damals grundsätzlich von seinen Schulkameraden. Kinder zieren sich nicht, ihre Gefühle ganz unverkrampft zu zeigen. Das gilt besonders für den Sport. Niederlagen erzeugen eine Weltuntergangsstimmung, Siege aber werden mit dem Triumphgeschrei: „Wir haben gewonnen!“ der Umwelt mitgeteilt. Damit man aber möglichst oft siegen darf, achten die Kinder bei der Festlegung der Mannschaften kleinlich darauf, nur ja nicht zu kurz zu kommen.

ahengst01Alex Hengst aber war in dieser Hinsicht ganz anders. Er suchte schon als Schulkind jede Gelegenheit, um besser zu werden. Wenn er als Zweitklässler ganz bewusst gegen Viertklässler gestellt wurde, um sich im Zweikampf zu behaupten, dann nahm er klaglos diese Ungerechtigkeit an. Der erste Lohn sollte sich schon bald einstellen.

Aus meinen Erinnerungen: „Im Jahr 2004 wurden erstmals im Kreis Höxter Grundschulmeisterschaften ausgetragen. Trotz der großen Konkurrenz erreichten wir überraschend das Finale gegen Bredenborn. Nachdem uns Alex Hengst mit zwei Toren in Führung geschossen hatte, berannten die Bredenborner nach ihrem Anschlusstreffer gegen Ende des Spiels pausenlos unser Tor. In der letzen Minute gelang dem Rechtsaußen aus Bredenborn ein Schuss, der für meine Begriffe unhaltbar war.

Ich habe ja selbst eine lange Sportvergangenheit mit vielen Höhen und Tiefen hinter mir, aber die Gedanken dieses kurzen Momentes vergesse ich nie:

„Schade, schade, schade, dass es uns so kurz vor Toresschluss noch erwischt hat. In der Verlängerung haben wir keine Chance, denn die Bredenborner sind jetzt psychologisch mit dem Ausgleichstreffer in letzter Sekunde klar im Vorteil. Unsere Mannschaft aber wird kurz vor dem kaum erhofften Sieg am Boden zerstört sein. Wir alle haben nicht erwartet, das Endspiel zu erreichen und das werden wir wahrscheinlich auch nicht mehr schaffen. Einen solchen Spieler wie Alex Hengst wird es an der Bühner Schule nie mehr geben.“

Um es kurz zu machen: Nur der letzte Satz stimmte. Marius Götte hielt mit einer unglaublichen Parade den Ball. Der Schiedsrichter pfiff ab. Alle jubelten und für mich war dieser Schlusspfiff der schönste Augenblick in meiner gesamten Sportlaufbahn. In den weiteren Jahren haben wir den Pokal noch einige Male gewonnen. Jeder Erfolg war einzigartig. Doch dieses absolute Glücksgefühl wie nach dem Sieg gegen Bredenborn sollte sich bei mir nie mehr einstellen.

Siegermannschaft 2004:

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Vorn von links: Julian Simon, Alexander Niemeier, Alex Hengst, Fabio Krull und Hendrik Rose.
Hintere Reihe: Julius Klotz, Moritz Lenz und Marius Götte.
Ganz hinten: Appo Köhne, Moderator und Organisator der Kreismeisterschaften.
Er war früher ein bekannter Bezirksklassentorwart des VfL Eversen.

Alex Hengst aber ist für mich der beste Bühner Fußballer aller Zeiten. Dabei sollen die Leistungen Ludger Krulls oder der Arendes Brüder nicht geschmälert werden. Alle drei haben ebenso wie Alex Hengst in der Landesliga gespielt. Doch es gibt einen Unterschied zwischen den Abwehr- und den Mittelfeldspielern. Im Transferbereich der Profis haben Mittelfeldspieler einen weitaus höheren Marktwert. Alex Hengst war als Kapitän und Regisseur der Brakeler Landesligamannschaft eine überragende Erscheinung und begeistert die lokale Fußballwelt nach wie vor mit seinen Leistungen.

Hier die chronologischen Stationen seiner Laufbahn: Nach der E-Jugend in Bühne ging er für ein Jahr nach Dalhausen, um nach einem Wechsel mit der Beverunger C-Jugend in die Landesliga aufzusteigen. Dort spielte er zweieinhalb Jahre mit einem extrem starken Jahrgang, der sich in dieser erlesenen Klasse behauptete. Diese Jungen standen an Spieltagen um 6.00 Uhr morgens auf, fuhren beispielsweise bis zur holländischen Grenze und kehrten erst spät zurück. Doch niemand beklagte sich über die Strapazen, denn der Erfolg war wichtiger.ahengst03Beim VfB Beverungen

Die nächste Station mit der B-Jugend Beverungen - Dalhausen war für zwei Jahre in der Bezirksliga angesiedelt. In der Beverunger A-Jugend spielte diese Mannschaft anfangs nur in der Kreisliga, doch nach seiner Mitwirkung stieg die Elf sofort in die Bezirksliga auf.

Alex‘ Leistungen wurden immer besser. Auch der erfahrene und erfolgreiche Trainer Dennis Hustadt registrierte das. So wurde er mit 17,5 Jahren für die erste Mannschaft hochgemeldet. Dieser Trainer sollte sich als Glücksfall für den Beginn seiner Karriere erweisen. Hustadt kam als absoluter Fachmann aus der Regionalliga vom SV Lippstadt und hatte nichts dagegen einzuwenden, dass sein hoffnungsvolles Talent

zweigleisig fuhr. Morgens in der A-Jugend, nachmittags in der Seniorenmannschaft in der Bezirksliga. Die Derbys gegen Erkeln, Warburg oder Höxter hatten es in sich.

Beverungen mit Alex Hengst war in dieser Zeit eine absolute Topmannschaft in der Bezirksliga, erreichte bis auf eine Ausnahme (Kampf gegen den Abstieg) immer einen Platz in den Top 5 und wäre fast in die Landesliga aufgestiegen. Den Aufstieg schaffte schließlich Brakel und Beverungen musste sich mit dem undankbaren zweiten Platz begnügen. In Beverungen spielte Alex bis 2016.

Burkhard Sturm war inzwischen Trainer des Landesligisten Brakel geworden. Er hatte Alex schon im Jahr 2015 einen Wechsel zu der ersten Adresse des Kreises Höxter schmackhaft zu machen versucht. Dennis Hustadt überredete ihn aber doch schließlich erfolgreich, noch ein weiteres Jahr in Beverungen zu bleiben.

ahengst04Verabschiedung in BeverungenDann aber war es soweit. Er sollte seinen Wechsel zum Spitzenclub in Brakel nicht bereuen. Für ihn war der Sprung von der Bezirks- zur Landesliga der Beginn seiner fußballerisch besten Jahre. Alles war eine Nummer größer und besser in der Landesliga. Die Gegner, die Anlagen, die Spieler; professionelle Bedingungen eben.

Besondere Erwähnung aber sollte der Hat-Trick beim Gewinn des Kreispokals in den Jahren 2016 (mit Beverungen), 2017 und 2018 (mit Brakel) finden.

Dass sein absoluter Lieblingsspieler Toni Kroos in den gleichen Jahren mit Real Madrid die Champions League gewann, war seiner Sympathie für den deutschen Weltmeister nicht abträglich. Schließlich hatte sein Vorbild 2013 mit den Bayern und 2022 mit Real Madrid noch zwei weitere Pokale in der Königsklasse zu verzeichnen.

Zurück zu Alex Hengst und den Beginn seiner Brakeler Zeit. Wie schwer es selbst für einen absoluten Spitzenspieler wie ihn in einer auf höchstem Niveau spielenden Brakeler Mannschaft ist, sich einen der begehrten Stammplätze zu sichern, musste am Anfang seiner Zeit dort selbst er machen. Er brauchte ein halbes Jahr, musste sich dann und wann mit der bitteren Erfahrung der ungeliebten Rolle eines Ersatzmannes begnügen, dann aber hatte er es geschafft. Von nun an war er etabliert und aus der Stammformation nicht mehr wegzudenken. Der Unterschied zwischen Bezirksliga- und Landesliganivau ist nach seinen Aussagen enorm. Tempo, Technik, Taktik, körperlicher Fitnesszustand, all diese Attribute waren nach seinen Angaben mindestens zwei Level höher als in seiner Bezirksklassenzeit.ahengst05Vorstellung in Brakel

Alex Hengst steigerte seine Leistung in einem enormen Maße und wurde dadurch zu einem immer anerkannteren Mitglied der Mannschaft. Mark Riechmann war in seinem ersten Brakeler Jahr Kapitän der Brakeler Fußballer. Als er aufhörte, standen Dominik Kling und Alex bereit, den Posten zu übernehmen. Dominik Kling verletzte sich und Alex war fortan der Kapitän der SpVgg Brakel.

Am 10. Dezember 2018 führte er die Mannschaft gegen Preußen Espelkamp zum letzten Male als Kapitän auf das Feld. Sein Sohn Leon wurde 2018 geboren. Die Absicht, ein Haus in Bühne zu bauen, ließ die Fortsetzung einer derart traingsintensiven Sportkarriere fraglich erscheinen. Brakels Trainer Burkhard Sturm aber war an der Fortsetzung seiner fußballerisch so erfolgreichen Karriere mit Brakel in der Landesliga interessiert und bot ihm an, das Trainingspensum zu reduzieren. Doch Alex Hengst war noch nie ein Typ für halbe Sachen. „Ganz oder gar nicht“, das war immer sein Lebensmotto und auch der Grund für seine sportliche Ausnahmestellung gewesen.

So stellte er sich innerlich auf den „Kulturschock“ eines Wechsels in die Kreisliga B zu seinem Heimatverein Bühne/Körbecke ein. Anfangs hielt sich seine Freude im neuen Team in Grenzen. Alle Vereine kannten ihn und hatten nur das eine Ziel: Den „Star“ der gegnerischen Mannschaft mit legalen und illegalen Mitteln auszuschalten und kalt zu stellen.

Alex ließ sich davon nicht beeindrucken, erfüllte die Erwartungen im eigenen Lager und erreichte schließlich das angestrebte Ziel, unter Trainer Dieter Olejak in die A-Liga aufzusteigen.

Der Unterschied zwischen der A und der B Liga war nach seinen Worten immens und es machte ihm sogar Spaß, in der Klasse Wettkampfspiele zu bestreiten. An das erste Spiel gegen Altenbergen kann er sich jedenfalls noch gut erinnern. Leider wurde die Saison wegen Corona abgebrochen.

In der nächsten Saison spielte er mit der Mannschaft in Bad Driburg. Trotz einer deutlichen Niederlage war der zuschauende Dringenberger Trainer Sven Schmidt von der Leistung des Bühner Ausnahmespielers derart beeindruckt, dass er ihn unbedingt für seine Elf verpflichten wollte. Alex hatte in dieser Zeit immer wieder Angebote, sagte aber wegen der Familie und des Hausbaus ab. 2020 wurde seine Tochter Paula geboren.

Doch als der Bau abgeschlossen war, hat ihm die Professionalität gefehlt. Deshalb wollte er mit 28 Jahren noch einmal höher als Kreisliga spielen. Er kannte Lukas Schöttler und Thomas Frederkind aus Brakel, die Mannschaft aus Dringenberg aber nur als Gegner aus der Bezirksliga und dem Kreispokal. So spielt er seit der Saison 21/22 für den SV Dringenberg. In der ersten Halbserie hat er mit dieser Mannschaft nur gegen den späteren Aufsteiger aus Detmold verloren und ging als Tabellenzweiter in die Rückrunde. Dann aber brach die Elf ein und beendete die Serie mit einem 8. Platz.ahengst07Beim Heimatverein Bühne/Körbecke

In der neuen Saison wurde ein Kader mit vielen jungen Spielern zusammengestellt. Die mussten noch viel lernen und haben in den ersten sieben Spielen der Saison oft Lehrgeld zahlen müssen. Alex Hengst und Alex Rempe sorgten als Führungsspieler aber dafür, dass Ruhe bewahrt wurde. So kam die Elf wieder auf Touren und langsam in die richtige Spur. Die letzten Spiele wurden nicht verloren und Alex ist überzeugt, dass die Mannschaft nicht absteigt. Schließlich ist er in seiner Karriere noch nie abgestiegen und das soll auch so bleiben. Bis zum Ende der Saison wird er in jedem Fall in Dringenberg bleiben. Danach ist für ihn noch alles offen: Die Fortsetzung seiner Karriere in Dringenberg oder die eventuelle Rückkehr nach Bühne.

Wie erwartet, kann man sich mit Alex Hengst mit großem Vergnügen über Fußball austauschen. Da bleibt es natürlich nicht aus, ihn zu fragen, ob bei einem so ambitionierten, talentierten, professionellen, ernährungsbewussten und athletischen Sportler die Landesliga das Ende des Erreichbaren sein musste. Seine Antwort: „Rückwirkend betrachtet muss ich sagen, dass ich zwar dreimal in Paderborn zum Probetraining war, den entscheidenden Schritt aber verpasst habe. Die Möglichkeit, beim SC Paderborn zu spielen, war durchaus vorhanden. Ich habe es aus verschiedenen Gründen nicht getan.

Den ganz großen Schritt wie Sebastian Schonlau habe ich nicht gemacht. Mit ihm habe ich kurz in der Kreisauswahl gespielt, ihn dann aber aus den Augen verloren. Es gehört auch viel Glück dazu, um eine Profilaufbahn zu starten. Man muss zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort die richtigen Leute treffen. Talent, harte Arbeit und die richtige Einstellung gehören natürlich auch dazu.“

Von wieviel Unwägbarkeiten das Profigeschäft abhängt, kann man am Beispiel Sebastian Schonlaus erkennen. Anfangs war er in Paderborn ein Mittelfeldspieler, der oft ein- und ausgewechselt wurde. Als Mittelfeldspieler hätte er nie diese Karriere gemacht. Erst als der Trainer ihn in der Abwehr und später als letzten Mann aufstellte, gelang ihm der endgültige Durchbruch zum anerkannten Kapitän beim HSV.ahengst06Im Dress des SV Dringenberg

Von der deutschen Mannschaft ist er (wieder einmal) sehr enttäuscht. Zu langsam, oft zu harmlos und ohne Ideen, so präsentierte sich die Nationalelf nach der Enttäuschung in Russland auch in Katar. Die Bundesliga hat kaum noch Topstars, auch ein Spieler wie Musiala wird auf Dauer nicht zu halten sein. So wird das deutsche Oberhaus immer langweiliger. Deshalb schaut er sich fast lieber die spannungsgeladene 2. Bundesliga an. Doch die englische Premier League ist der absolute Favorit seiner fußballbezogenen Fernsehgewohnheiten.

Beruflich wechselte er nach einer Banklehre bei der Sparkasse zur LVM nach Warburg und arbeitet dort als Versicherungsfachmann. Nach seinem Hausbau fühlt er sich in Bühne sehr wohl. „Die Leute sind wirklich freundlich zu mir und ich habe den Eindruck, dass sie sich sehr freuen, dass ich nach Bühne zurückgekommen bin. Ich habe als Fußballer noch 3-4 gute Jahre vor mir und kann nicht ausschließen, später einmal in Bühne als Spielertrainer zu meinen Wurzeln zurückzukehren.“

Auch die Familie fühlt sich in Bühne außerordentlich wohl. Sein vierjähriger Sohn Leon scheint sein Fußballtalent geerbt zu haben. Das meinte jedenfalls mit Egon Lenz ein Kenner der Szene: „Alex, dein Sohn läuft genauso wie du früher.“ Dies ist schließlich ein Kompliment, das für die Zukunft hoffen lässt. So fährt er schon jetzt mit seinem Vater voller Begeisterung zum großen Fußball nach Paderborn oder Bielefeld. Sie schauen sich zusammen aber auch gerne verschiedene Spiele im Fernsehen an. Leon kommt im nächsten Jahr mit den Trainern Johannes Klare und André Sima in die G-Jugend.

Ob die zweijährige Paula auch einmal in die Fußstapfen ihres Vaters Alex treten wird, lässt sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorhersagen.

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Durch unseren Umzug nach Hamburg endet mit diesem Beitrag meine Mitarbeit hier. Ich möchte mich ganz herzlich bei allen Personen bedanken, die mir durch ihre Informationen die Berichterstattung ermöglicht haben. Mein besonderer Dank gilt Thomas Engemann für die vertrauensvolle Zusammenarbeit. Ohne ihn hätte es die Bühner Seite in dieser Form nie gegeben. Für die Zukunft wünsche ich den Bühnerinnen und Bühnern alles Gute.

Leonhard Meier